Was ist zu tun?
Der Verdacht der Geschäftsunfähigkeit ist schnell erhoben, aber mit erheblichen Risiken verbunden. Sachkenntnis ist gefordert.
Zu Lebzeiten
Lebt der Betroffene, spielt seine Geschäftsfähigkeit meistens im Zusammenhang mit Vollmachten und Übertragungen eine Rolle. Besorgte Angehörige und Freunde fragen sich, ob der Bevollmächtigte korrekt arbeitet oder den Betroffenen ausplündert.
Der Vollmachtgeber möchte seinen Bevollmächtigten vielleicht gerade vor solchen Verdächtigungen schützen.
Oder es geht um eine Immobilienübertragung. Der Übergeber ist dankbar, daß sich jemand um ihn kümmert und will ihn dafür belohnen. Andererseits steht dann oft der Verdacht im Raum, daß der Übernehmer den Übergeber unter Druck setzt oder sonstwie übervorteilt.
Seltener spielt die Geschäftsunfähigkeit im Familienrecht eine Rolle.
Kann ein Geschäftsunfähiger überhaupt heiraten? Wie wird die Ehe beendet? Durch Aufhebung oder durch Scheidung? Wie wirkt sich die Geschäftsunfähigkeit auf die Kinder (Anerkennung, Sorge- und Umgangsrecht; Unterhalt) aus?
Nach dem Tod
Hatte der Verstorbene eine Vollmacht erteilt, verlangen die Erben vom Bevollmächtigten häufig Rechenschaft. Dann stellt sich möglicherweise auch die Frage, ob der Vollmachtgeber bei der Vollmachterteilung noch geschäftsfähig war und wußte, was er tut.
Diese Frage taucht auch oft im Zusammenhang mit lebzeitigen Übertragungen und Testamenten auf: konnte der Erblasser frei und unabhängig seinen Willen bilden, wußte er was er tat, welche Konsequenzen sein Handeln hatte? Oder war er durch Krankheit oder Beeinflussung schon so eingeschränkt, daß von einer freien Willensbildung nicht mehr ausgegangen werden kann?
In allen diesen Fällen geht es um die so genannte Geschäftfähigkeit, bzw. um die Testierfähigkeit als deren Spezialfall.
Geschäftsunfähig ist,
wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit
nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bilden.
Das wird in zwei Stufen geprüft:
- Zuerst muß festgestellt werden, ob eine solche geistige Beeinträchtigung vorliegt. Häufig sind das Demenzen, aber auch Minderintelligenz, bestimmte Formen von Manien oder Depressionen, Schizophrenien oder Wesensveränderungen durch Drogen, Alkohol kommen in Betracht.
- Dann muß festgestellt werden, ob die Erkrankung Einfluß auf die freie Willensbildung des Betroffenen hat.
Allgemein wird beispielsweise danach geforscht, ob
- Denkstörungen vorliegen,
- der Betroffene Informationen und Erinnerungen verarbeiten kann,
- der Betroffene diese Fakten vernünftig bewerten kann,
- er in der Lage ist, Alternativen zu erkennen und
- er das Für und Wider seiner Entscheidung abzuwägen kann,
- krankheitsbedingt eine erhöhte Beeinflussung durch Dritte vorliegt,
- Gleichgültigkeit, Abgestumpftheit, Depression oder Euphorie vorliegen
und welche Auswirkungen haben diese Feststellungen.
Diese zweistufige Prüfung erfolgt in allen Fällen von Geschäfts- oder Testierunfähigkeit. Geschäftsunfähig ist, wer wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bilden.
Bei einem Testament muß also gefragt werden, ob der Testator weiß, daß er testiert, wen er bedenkt, welche Auswirkungen das für den Bedachten und die sonstigen Betroffenen hat usw.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Erblasser bei Errichtung testierfähig war. Das Gericht muß davon überzeugt sein, daß Testierunfähigkeit vorlag. Bleiben daran Zweifel ("kann sein, kann auch nicht sein"), muß weiter von Testierfähigkeit ausgegangen werden.
Das gleich gilt in Übertragungsfällen
In Vollmachtsfällen muß festgestellt werden, ob der Vollmachtgeber bei Vollmachtserteilung geschäftsfähig war. Auch hier ist zunächst davon auszugehen, daß Geschäftsfähigkeit vorlag.
Wenn das sicher ausgeschlossen werden kann, ist die Vollmacht unwirksam und es wird eine Betreuung eingerichtet. Kann die Geschäftsunfähigkeit nicht sicher nachgewiesen werden, bleibt es grundsätzlich bei der Bevollmächtigung. Allerdings kann das Gericht eine Kontrollbetreuung anordnen, z.B. wenn der Bevollmächtigte überfordert ist, die Vollmacht im Rechtsverkehr angezweifelt wird (z.B. von Banken) oder der Bevollmächtigte nicht einwandfrei arbeitet; ein Widerruf der Vollmacht durch den Kontrollbetreuer kommt nur ausnahmsweise in Betracht.
Die Geschäftsfähigkeit muß beweisen,
wer sich darauf beruft
Die Überprüfung in Vollmachts- oder Übertragungsfällen kann sowohl zu Lebzeiten, als auch nach dem Tod des Betroffenen erfolgen. Anders bei Testamenten: In der Praxis kommt eine Überprüfung nur nach dem Tod in Betracht.
Zu Lebzeiten ist eine Überprüfung der Geschäftsfähigkeit natürlich einfacher - der Betroffene kann ja noch persönlich untersucht und befragt werden. Diese Möglichkeiten bestehen nach seinem Tode naturgemäß nicht mehr. Deshalb sind die Gerichte bei der Annahme der Testier- oder Geschäftsunfähigkeit sehr zurückhaltend.
Auch wenn es sich letztlich um juristische Fragen handelt, kommt das Gericht in der Regel um die Einschaltung eines qualifizierten Gutachters nicht herum. In Frage kommen Fachärzte für Psychiatrie (nicht Psychologen) mit der Zusatzqualifikation / Schwerpunkt "Forensische Psychiatrie" der Ärztekammern oder dem Zertifikat "Forensische Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)". In der Begutachtung kommen den Feststellungen des Hausarztes oder des Notars zwar erhöhte Bedeutung zu; letztendlich entscheidend ist aber das Votum des Gutachters.
Da die Geschäftsunfähigkeit von demjenigen bewiesen werden muß der sich darauf beruft (also z.B. der übergangene Erbe), ist die Zurückhaltung der Gerichte mit einem nicht unerheblichen Kostenrisiko für ihn verbunden. Denn solche Verfahren sind langwierig, nicht selten teuer und der vom Gericht einzuschaltende psychiatrische Gutachter kostet natürlich auch Geld. Bezahlen muß, wer im Verfahren unterliegt. Der Einwand der Geschäfts- oder Testierunfähigkeit will also sorgsam überlegt sein. Der oft gehörte Einwand, der Betroffene sei bis zuletzt klar gewesen und habe ganz genau gewußt, was er will, ist immer kritisch zu hinterfragen.
Lesen Sie hier, was das für unsere Beispielsfälle bedeutet.